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Umweltlandesrat Richard Theiner über die Schwierigkeiten,
die er bei seiner Amtsübernahme vor vier Jahren
vorgefunden hat, und über die Notwendigkeit einer
energiepolitischen Wende.
> Radius: Landesrat Richard Theiner, als Sie 2014 die politische
Verantwortung für die Bereiche Raumentwicklung,
Umwelt und Energie übernommen haben, stand der Bereich
Energie heftig in der Kritik. Was hat sich seitdem getan?
LR Richard Theiner: Die Ausgangslage war alles andere als
einfach. Das Land durchlebte eine schwere Krise, die vor
allem geprägt war vom Verlust an Glaubwürdigkeit. Zudem
waren mehrere Gerichtsverfahren anhängig, und wir hatten
Schadenersatzklagen von über 1,5 Milliarden Euro zu bewältigen.
Die Voraussetzungen für eine neue Energiepolitik
waren folglich sehr schwierig.
> Radius: Sie sprechen hier die Manipulation der
SEL-Gesuche an?
LR Theiner: Richtig. Es ging um die großen Wasserableitungskonzessionen
und also auch um viel Geld. Meine
primäre Aufgabe als zuständiger Landesrat sah ich deshalb
darin, so schnell wie möglich das herzustellen, was für alle
wichtig ist, nämlich Rechtssicherheit. Als Landesregierung
haben wir uns dafür entschieden, dieses schwierige Problem
durch eine Neubewertung der Konzessionsvergabe und
durch Verhandlungen mit den Konzessionswerbern zu lösen.
Wir stützten uns dabei auf ein Gutachten von Professor
Giuseppe Caia aus Bologna, der für die Rechtmäßigkeit
dieser Vorgangsweise einsteht.
> Radius: Gab es große Bedenken, dass dieser Ansatz nicht
zielführend sein könnte?
LR Theiner: Viele waren überzeugt, dass es nicht gelingen
würde, einen Ausweg aus dieser verfahrenen Situation zu
finden. Eine wesentliche Voraussetzung war das Gespräch
mit allen Beteiligten, mit Gemeinden, privaten Unternehmen,
ja selbst mit der Gerichtsbehörde. Wir mussten eine
neue Vertrauensbasis schaffen, denn nur so war eine Lösung
möglich. Aus diesem Grund habe ich im Februar 2014
den „Energietisch“ eingerichtet. In dieser Expertenrunde
erarbeiteten Vertreter der Energiebetriebe gemeinsam mit
den zuständigen Beamten die Grundlagen für ein neues
Landesgesetz für kleine und mittlere Abteilungen, Kriterien
für sensible Wasserabschnitte und einen Masterplan für die
Erneuerung des Südtiroler Hochspannungsnetzes.
> Radius: Worin hat diese Lösung bestanden?
LR Theiner: In der Neubewertung der 2011 zugewiesenen
Wasserkonzessionen. Im März 2015 konnten wir dann als
Landesregierung diese Konzessionen definitiv vergeben.
Damit war die Rechtmäßigkeit wiederhergestellt und die
aktuell 05/2017
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Auf dem Weg zum KlimaLand
Landesrat Richard Theiner
Voraussetzung geschaffen für die Übernahme der Enel- sowie
der Edison-Anteile und die Fusion zwischen Sel und
Etschwerken.
> Radius: Wie würden Sie die derzeitige Situation im
Energiesektor beschreiben?
LR Theiner: Ich würde sie als sehr gut beschreiben. Es gibt
im Land eine Vielzahl erneuerbarer Energieträger wie Wasser,
Sonne, Biomasse, die nachhaltig genutzt werden: So konnte
die Herstellung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen
von 7.193 Gigawattstunden im Jahr 2008 auf 10.438 Gigawattstunden
im Jahr 2014 ausgebaut werden. Das ist zum
einen auf den Ausbau der hydroelektrischen Energie zurückzuführen,
zum anderen aber auch auf die Photovoltaik und
die Biomasse, zwei Energiequellen, deren Anteil im Jahr 2008
bei 1,2 Prozent lag und 2014 bei 6,5 Prozent. Diese Zahlen
bekommen eine noch größere Aussagekraft, wenn man sie in
Relation setzt zum Wirtschaftswachstum und zur demografischen
Entwicklung: Obwohl das Bruttoinlandsprodukt und
die Anzahl der Einwohner in Südtirol gestiegen sind, konnten
im gleichen Zeitraum sowohl der Energieverbrauch als auch
der CO2-Ausstoß reduziert werden. Das ist ein Erfolg, auf den
wir stolz sein können.
> Radius: Die Energiepolitik ist demnach ein wesentlicher
Faktor für den Klimaschutz?
LR Theiner: Absolut. Südtirol verfügt über ein langjähriges
Know-how bei der Herstellung und Verteilung von Energie.
Ein Beispiel: Im Jahr 2008 gab es 71 Fernheizwerke,
davon 66 mit Wärmeproduktion aus Biomasse und fünf aus
Abwärme, im Jahr 2014 waren es 82 Fernheizwerke, davon
77 mit Wärmeproduktion aus Biomasse und fünf aus Abwärme.
2014 erzeugten sie 897 Millionen Kilowattstunden
an Wärme pro Jahr, davon 768 aus erneuerbaren Energiequellen.
2016 gab es 1.008 E-Werke, die 821,6 Megawatt
Strom produzierten. Man muss allerdings auch erwähnen,